Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis

Lesejahr C | von Pastor Stefan Krinke

Foto: 110stefan / pixelio.de

Evangelium: Lk 12, 49–53

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:

49 Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!

50 Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist.

51 Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf der Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung.

52 Denn von nun an werden fünf Menschen im gleichen Haus in Zwietracht leben: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei;

53 der Vater wird gegen den Sohn stehen und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter, und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.

 

Predigt: Jesu Brandrede

Die Worte, die wir im Evangelium dieses Sonntages aus dem Munde Jesu hören, passen so gar nicht in das gängige Bild von friedfertigen Christen. Sie widersprechen sogar anderen Jesusworten, man denke an die Seligpreisungen und die Bergpredigt. So habe ich Fragen: Wie können wir diese Worte von Spaltung, Zwietracht und Feuerwerfen einordnen? Geben sie nicht denen Recht, die als sogenannte Gotteskrieger Menschen mit in den Tod reißen – und jenen, die behaupten, Religionen seien zu dauerhaftem Frieden nicht fähig?

Vielleicht ist es an dieser Stelle gut, auf die Deutung des Bildes vom Feuer zu schauen: Feuer ist in der Bildsprache des Alten Testaments das Mittel zur (endzeitlichen) Reinigung und Erneuerung des Gottesvolkes und dient zugleich auch als Bild für die richtende Macht des Wortes Gottes. Man könnte sagen: In Jesu Verkündigung von Gottes Reich „brennt“ dieses Feuer, und Jesus kann nichts so sehr wünschen, als dass dieses Feuer seinen Dienst tut, sprich, dass das Reich Gottes Wirklichkeit wird. Mir wird klar: Wenn wir die Botschaft Jesu ernst nehmen, enthält sie immer auch Konfliktpotential. Gerade im ersten Jahrhundert des Christentums ging der Riss unterschiedlicher Werthaltungen auch quer durch die Familien. Ebenso haben sich Staat und Gesellschaft von den Einstellungen der Christen provoziert und in Frage gestellt gefühlt. Die Auseinandersetzungen und die Verfolgung der Christen werden vor diesem Hintergrund verständlicher.

Wie schwierig es für uns Menschen ist, mit unterschiedlichen Wertvorstellungen zusammenzuleben, zeigen nicht nur die Glaubenskriege der Vergangenheit. Es ist heute „brandaktuell“ in unserer Welt, und zwar überall da, wo Menschen mit einer anderen Geschichte, Religion und Kultur uns nahekommen. Es ist „brandaktuell“ da, wo gezielt Unwahrheiten verbreitet werden, um Menschen in ihrem Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Was können wir tun? „Toleranz“ scheint das Zauberwort zu sein. Aber auch Toleranz gelingt nicht so einfach. Wie weit kann und darf sie gehen? Spätestens wenn unser Leib und Leben gefährdet sind rufen wir nach klaren Bestimmungen. Toleranz meint nicht einfach, alles zu dulden. Sie endet, wo die Intoleranz beginnt, wo Menschenwürde mit Füßen getreten und wo Freiheit in Frage gestellt wird. Toleranz kann aber auch wachsen und gestaltet werden, u.a. da, wo Duldung in Respekt, ja in Wertschätzung des anderen übergehen.

Im Suchen nach Antworten sehe ich die Bedeutung dieser „Brandrede“ Jesu im heutigen Evangelium. Jesus stellt uns die Wirklichkeit vor Augen. Er beschönigt nicht und lässt zugleich nicht ab von seiner Sendung. Dies hat ihn in der Konsequenz selbst ans Kreuz gebracht. Dabei hat er es abgelehnt, zum Schwert zu greifen, Gewalt anzuwenden. Er hat auch keine alternativen religiösen Machtstrukturen aufgebaut. Er hat keinen Gottesstaat angestrebt, sondern das Reich Gottes mit Leben gefüllt: Er hat auf die Kinder geschaut, sie gesegnet und als Vorbild für das Reich Gottes dargestellt. Er hat Mahl gehalten sowohl mit den Ausgegrenzten als auch mit den religiösen Führern. Er ging auch einen spannungsreichen Weg – und hat die Spannungen nicht aufgelöst. Sein Leben macht mir deutlich: Ein konfliktloses Schlaraffenland wird es auf Erden auch für uns nie geben, selbst in Familien nicht. Solange wir Menschen versuchen, aus der Lebenshaltung Jesu heute zu leben, werden wir um diese Werte ringen. Glaube ist ein Wagnis, auch heute!

Wenn ich mein Gewissen an der Bibel, an der Haltung Jesu schärfe, Position beziehe, kann das zu Differenzen führen, in Glaubens- aber auch in ethischen und politischen Fragen. Die Auseinandersetzung wagen ist Teil des Glaubens. Die von Lukas überlieferten Worte Jesu müssen uns nicht erschrecken, sondern können ermutigen, uns mitten hinein zu begeben ins Denken, Reden, Ringen und Handeln.

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